In einer immer komplexer werdenden Gesundheitswelt, in der Mensch und Technik eng miteinander verzahnt sind, kommt einer starken Sicherheitskultur eine zentrale Bedeutung zu. Hier setzt Safety Leadership an: Führungskräfte müssen Sicherheit nicht nur vorleben, sondern aktiv gestalten und fördern. Ein bewährtes Modell zur Entwicklung einer nachhaltigen Sicherheitskultur ist das Crew Resource Management (CRM). Ursprünglich in der Luftfahrt entwickelt, hat sich CRM als wirksame Methode zur Verbesserung der Teamkommunikation, der Entscheidungsfindung und der Fehlervermeidung erwiesen. Besonders effektiv ist der Einsatz von CRM-basierten Simulationstrainings. Die Integration von CRM und Simulationstrainings in die Unternehmensstrategie ist ein entscheidender Schritt hin zu einer Sicherheitskultur. Denn eine echte Sicherheitskultur entsteht nicht durch Vorschriften allein, sondern durch das Bewusstsein, dass Sicherheit eine gemeinsame Verantwortung ist.
Lesen Sie dazu den folgenden Beitrag von den CRM begeisterten Akut- und Notfallmedizinern Dres. Lukas Drabauer, Daniel Schmitz und Prof. Stefan Schröder.
Die Crew Resource Management (CRM) begeisterten Akut- und Notfallmediziner. Dres. Lukas Drabauer, Daniel Schmitz und Prof. Stefan Schröder führten zusammen mit einer Gruppe überzeugter CRM-Trainer einen Workshop zum Thema "CRM-basierte Aus- und Weiterbildung" für Entscheidungsträger der Artemed Klinikgruppe durch. Organisiert wurde der Workshop von der Artemed Akademie.
Krankenhäuser stellen ein komplexes Arbeitsumfeld dar, in dem verschiedene Berufsgruppen und Fachdisziplinen unter Einsatz moderner technischer Geräte zusammenarbeiten und gelten daher als Hochrisikobereiche. Patientensicherheit in der medizinischen Behandlung ist dann gegeben, wenn vermeidbare Schädigungen des Patienten durch das Handeln der Behandelnden ausgeschlossen sind. Tritt ein vermeidbarer Schaden ein, spricht man von einem unerwünschten Ereignis, das den Krankenhausaufenthalt des Patienten verlängern, nach der Entlassung bleibende Schäden hinterlassen oder zum Tod führen kann.
Diese Komplikationen werden nicht durch die Krankheit, sondern durch das Personal verursacht und führen zu höheren Behandlungskosten. Darüber hinaus entstehen weitere Kosten, die weniger offensichtlich sind und selten berücksichtigt werden, z. B. Regressforderungen oder höhere Versicherungsprämien (erkennbare Fehlerkosten durch Qualitätsmängel).
Des Weiteren verhindern längere Verweildauern mit zusätzlichem Einsatz von Medizintechnik und verspätete Entlassungen die Neuaufnahme von Patienten in die vorhandenen Bettenkapazitäten. Diese zusätzlichen (versteckten) Fehlerkosten sind in der Regel schwer abzuschätzen und variieren individuell je nach Patient, Fehler und behandelnder Klinik.
Gleiches gilt für zusätzliche Kosten, die durch fehlende Weiterempfehlungen aufgrund von Imageschäden entstehen. Maßnahmen zur Vermeidung unerwünschter Ereignisse sind Teil des Risikomanagements in deutschen Krankenhäusern, das sich in kaufmännisches, juristisches und klinisches Risikomanagement gliedert. Während sich die beiden erstgenannten Bereiche mit quantifizierbaren Schäden befassen, z. B. durch die Kalkulation von Haftpflichtprämien und die Prüfung von Ansprüchen vermeintlich geschädigter Patienten, fokussiert das klinische Risikomanagement auf den Kernprozess der Patientenbehandlung mit dem Ziel einer kontinuierlichen Verbesserung der Patientensicherheit. Voraussetzung hierfür ist die Etablierung einer Sicherheitskultur. Dazu gehört vor allem, dass Fehler und (Beinahe-) Zwischenfälle sanktionsfrei gemeldet werden können. Darüber hinaus ist es unerlässlich, die jeweiligen Ursachen zu erforschen und das eigene Handeln sowie die Organisationsstrukturen mit dem Ziel anzupassen, das Risiko einer möglichen Wiederholung zu minimieren.
Ein weiterer Baustein können regelmäßige Simulationstrainings auf Basis des Crew Resource Management (CRM) sein. Diese Trainings sollen die Teilnehmenden in die Lage versetzen, kritische Ereignisse, Zwischenfälle und Komplikationen zu vermeiden bzw. effektiver zu bewältigen.
Simulationstraining ist die möglichst realitätsnahe Nachbildung von Abläufen in der Realität mit dem Ziel, einen individuellen Lerneffekt zu erzielen. Dies kann z. B. zur Vermittlung von technischen Fertigkeiten (Skill Training) oder zum Training von Algorithmen bzw. Standard Operation Procedures (SOPs) eingesetzt werden. Darüber hinaus eignen sich Simulationstrainings auch zur Provokation und Reflexion von Zwischenfällen und Fehlern, z. B. bei Reanimationstrainings. Davon abzugrenzen ist das CRM, dessen inhaltlicher Schwerpunkt auf der Vermittlung nichtmedizinischer Fertigkeiten unter Einsatz moderner Patientensimulatoren liegt, so dass das Personal in die Lage versetzt wird, unter den ungünstigen und unübersichtlichen Bedingungen eines Notfalls effektive Maßnahmen im Behandlungsteam umzusetzen.
Konkret geht es dabei vor allem um Situationsbewusstsein, Planung und Antizipation sowie Entscheidungsfindung, wobei alle Elemente gleichermaßen berücksichtigt werden müssen, um im Sinne des CRM wirksam werden zu können. Auf diese Weise soll CRM eine Kultur der aktiven Sicherheit etablieren.
Simulationskurse auf der Basis von CRM sind mit Kosten verbunden: Bei internen Lösungen im Sinne eines eigenständigen Simulationszentrums gibt es die Minimalausstattung als einfache, kostengünstige Lösung mit einem Patientensimulator in einem leeren Patientenzimmer, einem Monitor mit Vitalparametern, der über frei im Internet verfügbare Software gesteuert werden kann, einem Smartphone zum Aufzeichnen und Abspielen der Szenarien und einem geschulten Instruktor
Die Maximalausstattung besteht aus einem eigens errichteten Trainingszentrum mit mehreren Simulationsräumen und Patientensimulatoren sowie computergestützten physiologischen Modellen. Für beide Varianten ist eine professionelle audiovisuelle Technik für Live-Übertragungen und Nachbesprechungen ausgewählter Videosequenzen in eigenen Debriefingräumen und mit Instruktoren (Ärzte und/oder Psychologen), Technikern und Verwaltungspersonal unabdingbar.
In der Kostenrechnung sind die Anschaffungskosten für den Simulator und die audiovisuelle Technik sowie deren Abschreibung aufgrund des Werteverzehrs zu berücksichtigen. Hinzu kommen die Kosten für Verbrauchsmaterialien, Dienstleistungen (u .a. Marketing, Zertifizierung und Catering), Fremdleistungen (u. a. Reinigung und Wartung) sowie Personalkosten. Letztere variieren je nachdem, ob es sich um fest angestelltes Personal oder um Honorarkräfte handelt. Alternativ können Simulationskurse bei externen Anbietern eingekauft werden. Die Kurskosten variieren je nach Inhalt und Umfang erheblich.
Die gesundheitsökonomische Argumentation für die Finanzierung von CRM-basierten Simulationstrainings ist nicht einheitlich. Es bleibt abzuwarten, ob zukünftige Studien einen langfristigen gesundheitsökonomischen Nutzen nachweisen können. Über die rein gesundheitsökonomische Betrachtung hinaus kann es sich lohnen, das alltägliche Arbeitsumfeld differenzierter zu betrachten. Vor diesem Hintergrund kommt insbesondere dem CRM-basierten Simulationstraining eine besondere Bedeutung zu. Es ermöglicht das Erleben (Simulation) und Reflektieren (Debriefing) kritischer Situationen in einer realitätsnahen Lernumgebung. Mit Hilfe von speziell geschulten CRM-Instruktoren können so Abweichungen oder gar Zielverfehlungen als Ausgangspunkt für die Entwicklung sicherer Systeme genutzt werden.
Im Vordergrund steht dabei weniger das Erlernen praktischer Fertigkeiten (Skill Training), sondern vielmehr die Stärkung der Fähigkeit, Sicherheit unter widrigen, sich ständig ändernden und unbekannten Bedingungen aufrechtzuerhalten. Ein nachhaltiges Training zielt darauf ab, ein entsprechendes Bewusstsein (Mindset) im Team aufzubauen, zu fördern und dauerhaft zu etablieren.
Durch die Integration des CRM-basierten Simulationstrainings in das klinische Risikomanagement sind positive Aspekte zu erwarten, wie z. B. eine höhere Mitarbeiterbindung bei gleichzeitig höherer Attraktivität für neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ein geringerer Krankenstand sowie eine insgesamt effektivere Arbeit in Notfallsituationen und in der täglichen Routine. Dadurch kann auch eine bessere Außenwirkung gegenüber Patienten und Zuweisern erreicht werden.
Programme im Zusammenhang mit CRM-basiertem Simulationstraining müssen langfristig angelegt sein und können daher nur erfolgreich sein, wenn sie von der Krankenhausleitung bzw. dem Klinikbetreiber gewollt und gefördert werden. Entscheidend ist, dass das Gesamtsystem Krankenhaus „top down“ von der Geschäftsführung und den verantwortlichen Ärzten und Pflegekräften nachhaltig in Richtung mehr Sicherheit verändert wird. Nur dann haben CRM und Simulationstrainings eine Chance, neben der unmittelbaren Wirkung auf den individuellen Wissenserwerb und die Interaktionen der Mitarbeiter auch systemisch wirksam zu werden. Dies setzt voraus, dass CRM-basierte Simulationstrainings integraler Bestandteil des Klinikalltags werden und nicht nur vereinzelt durchgeführt werden.
Dazu müssen entsprechende Mittel regelmäßig und langfristig in die Finanzplanung des Krankenhauses eingeplant werden.