Schnittstelle Intensivstation: Strukturierte Patientensteuerung zur Optimierung von Patientensicherheit & Ressourcennutzung

Den richtigen Patienten zur richtigen Zeit in der richtigen Versorgungstruktur zu behandeln ist ein wichtiges Ziel für eine effiziente Gesundheitsversorgung. In der Akutmedizin fungiert die Intensivstation (ITS) oft als Schnittstelle zwischen Notaufnahme, OP und nachsorgenden Einheiten. Stauungen im Zu- oder Abfluss von Patienten führen zu verspäteten oder abgesagten OPs, vermeidbaren Wartezeiten und möglichen Patientenzustandsverschlechterungen in der Notaufnahme, sowie auf ihre Verlegung wartende Patienten auf den Intensiv- und Normalstationen. Auf Grund von komplexen Behandlungsanforderungen an Personal und Ausstattung, sowie hoher Kosten bei knappen Ressourcen sind ITS-Kapazitätsauslastungen von >85 % häufig und können zu Patientengefährdungen führen, wenn kritisch-kranke Patienten nicht zeitnah aufgenommen oder noch instabile Patienten zu früh auf eine niedrigere Versorgungsstufe verlegt werden. Jedoch auch vermeidbar lange Liegezeiten auf der ITS mangels koordinierter Visiten und Entscheidungsprozesse, Betten- oder Personalknappheit beim Patiententransfer oder in den nachsorgenden Einheiten führen zu ineffizienter Ressourcennutzung und erhöhen Patientenrisiko und Krankenhausverweildauer durch z. B. im Krankenhaus erworbene Infektionen, Übertherapie, mangelnde Mobilisation oder Delirium. Das sogenannte Care-Gap zwischen einem sehr hohen Betreuungsschlüssel und kontinuierlicher Vitalparameter-Überwachung auf der ITS gegenüber einem deutlich niedrigeren Pflegeschlüssel sowie nur punktueller Zustandsüberwachung auf der Normalstation stellt ein weiteres Patientenrisiko dar. Zudem erhalten zuständige Teams der nachgelagerten Versorgungseinheiten wichtige Therapieinformationen oft verspätet oder unvollständig. Eine interdisziplinär ausgerichtete Patientenflusssteuerung, ein proaktives Ressourcenmanagement, die Verknüpfung notwendiger Daten und Etablierung abteilungsübergreifender Kommunikationswege können helfen, Kapazitätsengpässe zu reduzieren und die Patientensicherheit zu erhöhen. In diesem Kontext werden nachstehend geeignete Maßnahmen aufgezeigt [1-3].

Instrumente zur Patienteneinschätzung
Für eine bessere Ressourcenallokation und zur Vermeidung von Fehlbelegungen, sollten objektivierbare Aufnahme- und Entlassungskriterien für unterschiedliche Bereiche der Akutmedizin im interdisziplinären Konsens festgelegt werden. Zudem ist eine frühzeitige Therapiezielfestlegung in der Notaufnahme und der ITS unter Beachtung des Patientenwillens zur Vermeidung nicht indizierter Intensivtherapie empfohlen. Eine gezielte, kapazitätsabhängige Patientensteuerung kann auch durch eine Wichtigkeits-Dringlichkeits-Gewichtung des Versorgungsbedarfs gelingen.

Prozesssynchronisation der Versorgungskette
Eine Prozesssynchronisation und proaktive Patientenflusssteuerung entlang der Versorgungskette können durch eine gute Auslastungstransparenz der einzelnen Versorgungsstufen mittels abteilungsübergreifend verfügbarer Ressourcennutzungsdaten in Echtzeit, eine abgestimmte und interdisziplinäre Visite, einen standardisierten Aufnahme- und Verlegungsprozess, sowie abteilungsübergreifende Kommunikationswege realisiert werden.

Schließung des Care-Gaps
Strukturierte Übergabeprotokolle, Liaison Nurses oder Reach-out Teams seitens der Intensivstation, sowie ein mobileres Patientenmonitoring und Frühwarnsysteme wie Early Warning Scores auf den niedrigeren Versorgungsstufen können helfen, das Care-Gap zu schließen, sowie die Pflegequalität und die Patientensicherheit entlang des Versorgungspfades zu verbessern. Auch die Etablierung oder flexible Erhöhung von Intermediate Care-Kapazitäten kann helfen, die ITS zu entlasten und Patienten mit erhöhtem Überwachungs- oder Therapiebedarf noch weiter zu stabilisieren.

Flexible Kapazitätsallokation
Konzepte der abgestuften Versorgung innerhalb zusammenhängender Räumlichkeiten können an den sich ändernden patienten-individuellen Versorgungsbedarf flexibler angepasst werden. Die Bildung von Personalpools mittels entsprechender Schulungskonzepte als Personalausfalls- und Personalaufstockungskonzept in Spitzenbelegungssituationen dient dazu, Kapazitäten dort kurzfristig zu allokieren, wo sie benötigt werden. Unablässig ist zudem eine sich wiederholende Ist-Analyse der genutzten Kapazitäten entlang der Patientenpfade mit geeigneten Kennzahlen (z. B. Hauptbeleger/ -abnehmer, Auslastung, Schweregrad, Pflegeaufwand/-Schlüssel, Verweildauer) und daraus resultierend gegebenenfalls eine Reallokation von Betten, Personal und Patientenmix.

Ganzheitliche Systemoptimierung
Generell kann die Erhebung geeigneter Kennzahlen zur Bewertung von Patientenfluss und Ressourcennutzung helfen, Engpässe und ihre Auswirkungen auf angrenzende Bereiche zu identifizieren, Potenziale für eine effizientere Ressourcennutzung aufzuzeigen und Verbesserungsmaßnahmen zu evaluieren. Für eine optimale Realisierung im Klinikalltag bedarf es einer breiteren Vernetzung und Analyse von Patienten- und Kapazitätsauslastungsdaten, sodass zeitnah objektiv Entscheidungen getroffen und die medizinische Versorgung nachhaltig gestaltet werden können.

Fazit
Geeignete Maßnahmen zur Optimierung von Patientensteuerung und Ressourcennutzung sollten zum einen die bestmögliche Versorgung des individuellen Patienten, aber auch einen gerechten Zugang zu optimaler Versorgung aller Patienten im Fokus haben. Es gilt den Versorgungsbedarf jedes Patienten objektiv und zeitnah einzuschätzen und die Einstufung engmaschig zu überprüfen und anzupassen. Prozesse sollten über die Abteilungsgrenzen hinweg gedacht, gestaltet und synchronisiert werden. Idealerweise werden die vorhandenen Kapazitäten dann flexibel dem Versorgungsbedarf angepasst und nicht starr innerhalb der Abteilungsgrenzen verwaltet. Um positive Veränderungen im Bereich Ressourcennutzung und Patientensicherheit in der Intensivmedizin zu realisieren, müssen Stakeholder entlang der gesamten Versorgungskette eingebunden, geeignete Kennzahlen zur Erfolgsmessung gewählt und die Effekte auf alle Versorgungsbereiche beobachtet werden.

Literatur: 1. Rutherford PA, Anderson A, Kotagal UR, Luther K, Provost LP, Ryckman FC, Taylor J: Achieving hospital-wide patient flow (second edition) The right care, in the right place, at the right time. In: IHI White Paper. Edited by Improvement IfH. Boston Massachusetts: Institute for Healthcare Improvement; 2020: 72.

2. Spohn K, Schütte JK, Hiller M, Aymaz S, Schröder S: Engpass Intensivmedizin - Bedarf an Intensivbetten muss interdisziplinär gesteuert werden. In: Jahrbuch Intensivmedizin 2020. Edited by Böttiger BW, Kuckelt W. Lengerich: Pabst Science Publishers; 2020: 65 - 80.

3. Hiller M, Spohn K, Hering R, Hohn A, Lahm A, Bergrath S, Schütte JK, Aymaz S, Cremer S, Milde M et al: Multi-professional and interdisciplinary solutions for the sustainable optimisation of intensive care capacity use. Anästhesie und Intensivmedizin 2021, 62:385-395.

Korrespondierende Autorin: Maike Hiller 1,2 (m.hiller@erasmusmc.nl)

1 Abteilung für Intensivmedizin, Erasmus MC University Medical Center, Rotterdam, Niederlande

2 Bereich Hospital Patient Monitoring, Philips Medizin Systeme Böblingen GmbH, Böblingen, Deutschland

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